Redebeiträge

Redebeitrag: Kohle muss Geschichte werden

Redebeitrag vom 23.Juni.2018 am Hansaport Kohle- und Erzhafen bei den Harbour Games 2018

Höchst geschätzte Rallyeteilnehmer*Innen,
wir sind sehr erfreut euch alle hier begrüßen zu dürfen.

Wir befinden uns bei dieser Tour durch den Hamburger Hafen nun an einem historischen Ort und Zeitpunkt. An einem Kipppunkt der Klimagerechtigkeitsbewegung der ganz besonderen Sorte. So, wie es nur ganz wenige gab.

Also spitzt die Ohren und taucht mit uns ein in die Geschehnisse, welche sich genau hier an diesem Ort, abspielten.
Es ist nicht ganz einfach und die schiere Ignoranz und Grausamkeit dieser Zeit kann verstören und erschrecken. Bevor ihr also dieses heikle Gedankenexperiment mit uns eingeht, lasst uns zunächst gemeinsam etwas mehr über diesen denkwürdigen Ort erfahren. Im Anschluss könnt ihr euch in kleineren Gruppen von unseren Abgesandten aus der Zukunft näher an dieses gräuliche Kohlekabinett geleiten lassen.

Versetzt euch mit uns in das Jahr 2018 zurück, als dieser Ort noch kein Denkmal war!

Es herrschte auf unserem Planeten noch ein geradezu archaisches System aus vereinzelten und zwiegespaltenen Nationalstaaten. Die Menschen folgten der Illusion, dass das sogenannte „Wachstum“ der Wirtschaft und die absurde Anhäufung von noch absurderen Dingen des Lebens Inhalt sei. Es war also auch gar kein Wunder, dass auch die Menschen darin sich oft einsam fühlten. In ständiger Sorge und Angst vor ihren Nachbar*Innen, und ohne Rücksicht auf nachfolgende Generationen.

Die Geschichte der Menschheit bestand bis dato nur aus Sklaverei und Krieg. Wir waren uns zu fremd um uns anzusehen als Kollektiv. Wie sonst hätte es passieren können, dass der unersättliche Hunger nach Profiten für wenige Grund genug war , die Lebensgrundlage anderer Menschen und Geschöpfe zunichte zu machen. Ganz finstere Gruben wurden in Russland ausgehoben, die Kuppen von Bergen, die über Millionen von Jahren gewachsen sind, wurden in den USA einfach weg gesprengt, und allein in Kolumbien über 60 000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben und tausende Ermordet, um an die Kohle zu kommen.

Dort drüben befindet sich der Hansaport, ein Relikt aus einer Zeit in der noch jährlich 17 Millionen Tonnen blutige Kohle und Erze für die Versorgung von Kraftwerken von damaligen namhaften raffgierigen Energiekonzernen wie Vattenfall, E.On und RWE und die Produktion von Automobilen u.a. der Marke Volkswagen im Hamburger Kohlehafen umgeschlagen wurden. Automobile -hahahha- Verzeihung, lasst mich kurz erklären: Automobile, das waren stinkende blecherne Kisten mit Rädern, in die sich die Menschen rein gesetzt haben, um zur Arbeit zu fahren. ‚Arbeit‘ das ist noch so eine eigenartige Begebenheit, aber dieses Konzept zu erklären wäre an dieser Stelle nun wirklich zu ausschweifend.
Wie ihr sehen könnt war dieser Ort ein gewichtiges Zahnrad im Uhrwerk des Kapitalismus, hier wurde einer der Treibstoffe für die Produktion all des Grauens in der Welt geliefert. Doch die Stunde dieses zerstörerischen Systems sollte bald geschlagen haben.

Denn der Kohlehafen sollte auch zur Bühne für den Übergang in das postfossile Zeitalter werden, einer der Orte an dem sich eine unwahrscheinliche Geschichte abspielen SOLLTE. Hier kristallisierte sich der Protest gegen die fossile Ausbeutung, wuchs zusammen mit den Widerständigen anderer Bewegungen, wurde zu einem Puzzle-Teil der globalen Unfolgsamkeit gegenüber der Kaltherzigkeit und Ausbeutung.

Es hatte sich allmählich rumgesprochen, dass der Klimawandel nicht mit, sondern nur gegen den Kapitalismus eingedämmt werden konnte und nach und nach regte sich entschiedener Widerstand in allen Ecken der Welt und auch an diesem Ort war dieser zu beobachten Für so manch eine*n kam das womöglich überraschend. Zu Beginn oft erst ein vorsichtiges Erproben und Entdecken der eigenen und eigentlichen Möglichkeiten und Grenzen. War das Widersetzen zu Beginn noch fast kindlich, vorsichtig, suchend, so schritten sie doch voran, stets von einander lernend, sich gemeinsam weiter entwickelnd.
Bald waren sie nicht mehr mundtot zu machen. Zwischendurch schon sehr entschieden. Tausende Menschen an den Schauplätzen der Zerstörung, um diese zu stoppen.
Nicht mehr zu übersehen. Später einfach überall. Gar nicht mehr wegzudenken!

Sie stellten sich der Vernichtung in den Weg, die das dunkle Beiwerk dieser rückständigen Technologien war. Sie waren nicht die einzigen, die um diese Schattenseite wussten: Es war allgemein bekannt, wie viel Schaden die Verfeuerung dieser sogenannten „Brennstoffe“ anrichtete. Doch lange schafften es die wenigen, die davon profitierten, die anderen gegeneinander auszuspielen, Ängste zu schüren und den Motor am laufen zu halten.
Das ging zu Lasten der Betrogenen, die nicht den Mut oder die nötigen Mittel hatten, zu sehen. Aber noch viel mehr traf es diejenigen, deren Lebensräume verwüstet wurden, von Stürmen, Hochwassern, Dürreperioden. Diese waren Folge gestiegener Temperaturen, die mit dem kapitalismus-gemachten Klimawandel einhergingen.

Es hatte sich bereits abgezeichnet, dass staatliche Strukturen, den Klimawandel selbst nicht eindämmen würden. Die Staatsmacht entsendete meist ihre uniformierten Trupps wenn sie sich mit Widerstand konfrontiert sah. Diese Trupps waren nicht dafür bekannt lange zu zögern körperliche Gewalt anzuwenden, um Kapital und Eigentumsverhältnisse zu schützen und auch vor Freiheitsberaubung schreckten sie nicht zurück. Hier und heute sind Hologramme dieser uniformierten Gehilfen zu sehen. Doch letztlich konnten auch sie die Aufständischen nicht mehr stoppen.

Werft nun einen kleinen Blick umher. Nehmt an einer der zahlreichen Führungen teil, erkundet diesen Ort, geht auf die Suche nach den Spuren aus der Vergangenheit. Was hat sich hier zugetragen? Was genau hat dazu geführt, dass dieser Kohlehafen schon bald Geschichte wurde? Die Abgesandten mit den bunten Schirmen stehen euch als Begleitung bereit.
Verpasst dabei nicht diese außerordentliche Gelegenheit, eines der begehrten Stücke Souvenirkohle zu ergattern, es seiner Bedeutung entsprechend zu verschönern und als ein schwärmendes Mahnmal mit euch zu nehmen. Tragt es weiter in die Welt: Kohle muss Geschichte werden!

In diesem Hafen und auf dieser Rallye warten noch weitere Stätten auf euch, die von der empörenden Praxis Zeugnis tragen, die damals als alternativlos galt. Zu denen möchten wir in -30 Minuten- weiter reisen. Also seid zügig, aber wachsam und rücksichtsvoll.

Gebt Obacht, wenn ihr in der Vergangenheit grabt!