Redebeitrag vom 30.06.18 zur 2. Trassenbegehung der geplanten Moorburgtrasse 2.0 in Othmarschen
Die Folgen des Klimawandels sind in den vorrangig betroffenen Regionen des Globalen Südens schon heute gravierend. Sie verursachen dort schon heute humanitäre Katastrophen, stellen Millionen von Menschen vor existenzielle Bedrohungen und zwingen viele von ihnen dazu, ihre Wohnorte zu verlassen. Die Umweltveränderungen sind allerdings selten alleinige Fluchtursache.
Wenn in Darfur im Westen Sudans der Boden knapp wird, weil die Wüsten sich ausbreiten und es dann zu Kriegen zwischen Volksgruppen um Boden und Wasser kommt und Millionen Menschen zur Flucht gezwungen werden. Dann wirkt der Klimawandel vielmehr als Multiplikator für existierende Probleme, wie strukturelle Benachteiligung ganzer Bevölkerungsgruppen, soziale Marginalisierung, Kriege und Gewalt. Generell schaffen es die allermeisten der Geflüchteten nur in die angrenzenden Regionen bzw. in die immer größer und elendiger werdenden Slums der nächstgelegenen Großstadt. Nur sehr wenige überwinden die so oft tödlichen Mauern der sich immer aggressiver abschottenden reichen Weltregionen.
Die materiellen Möglichkeiten, sich an zunehmende Wetterextreme oder schleichende Auswirkungen des Klimawandels wie den Meeresspiegelanstieg anzu-passen und die unmittelbaren Schäden zu begrenzen, sind für die übergroße Mehr-zahl der Menschen im Globalen Süden sehr gering.
Notwendige Ressourcen, um auf Auswirkungen des Klimawandels zu reagieren, werden nicht in die Hände der Menschen gelegt, die diese am meisten brauchen. Dabei geht die Einschränkung der Überlebensbedingungen im Globalen Süden zum Großteil auf die Rechnung der westlichen Industrienationen.
Der günstige Import von Rohstoffen, die günstige Produktion von Energie und die Ausbeutung von Arbeitskräften ist seit über 500 Jahren sowohl Grundvoraussetzung als auch Ergebnis der kapitalistischen Wirtschafts- und Produktionsweise. Diese hat sich von Europa ausgehend im genannten Zeitraum nahezu den gesamten Planeten unterworfen. Der in den westlichen Industrienationen angehäufte materielle Reichtum beruht seit beruht seit Jahrhunderten auf der systematischen Ausbeutung der sogenannten ehemaligen Kolonialländer und schreitet dabei ungestört voran. Oft heißt es „Wir leben über unsere Verhältnisse“. Wenn ihr mich fragt, leben wir nicht über unseren Verhältnisse, sondern über den Verhältnissen der sogenannten „Anderen“ und das nicht erst seit heute.
Der Klimawandel ist eine globale Krise, bei der es keine Rolle spielt wo das Klima beeinflusst wird, da die Folgen vor allem die Menschen in ganz anderen Gegenden der Welt und teilweise anderen Generationen zu spüren kriegen. Das Klima ist hierbei der Kanal, durch den die Gewalt einer Gruppe auf eine andere ausgeübt wird.
Die Menschen, die ihre Lebensgrundlagen verlieren und zur Flucht gezwungen werden, führen uns dabei vor Augen, welche Verantwortung die wohlhabende Schicht der Menschheit für den Verlust ihrer Lebensgrundlage hat. Die Betroffenen dieser Ungerechtigkeit werden in der Regel jedoch unsichtbar gehalten. Ihre Gesichter werden nicht gezeigt, ihre Namen und ihre Geschichte werden verschwiegen. So wird auch die unmittelbare Gewalt und Ungerechtigkeit ausgeblendet, die Politik und Konzerne mit Kohleverbrennung und generell der Anheizung des Klimawandels auf die betroffenen Menschen ausüben. Die Fortführung der Energieproduktion aus Kohle trotz vollem Bewusstsein der Folgen der globalen Erwärmung für Menschen im Globalen Süden ist Teil der Kontinuität des aus der Kolonialisierung stammenden strukturellen Rassismus.
Wenn wir über Klimawandel reden, sollte Schutz und Gewährleistung der Rechte der vorrangig betroffenen Menschen im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Die wichtigste Maßnahme gegen die globale Erwärmung und ihre Folgen bleibt nach wie vor das rasche und drastische Absenken der weltweiten Treibhausgasemissionen in Form eines SOFORTIGEN Kohleausstiegs. Weitere grundlegende Veränderungen in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft, Gebäude müssen schnell folgen.
Ein gutes Leben für alle ist definitiv möglich. Doch dafür braucht es einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandlungsprozess. Dazu gehört u.a. auch, unsere dunkle Kolonialgeschichte aufzuarbeiten, uns über unsere jeweiligen Privilegien in der Welt- Gesellschaft bewusst zu werden und die existenziellen Kämpfe der Menschen, die vorrangig von diesem krass ungerechten und rassistischen System betroffen sind, solidarisch zu unterstützen.
Eine Möglichkeit dazu bietet sich übrigens heute ab 14h am Hauptbahnhof, wo die Geflüchtetengruppe „Lampedusa in Hamburg“ mit einer Menschenkette ihr 5-jähriges Jubiläum feiert.